Tardivo und Castelfranco

Das absolute Lieblingsgemüse der Marinellos

Der herbe Charme dieser Gemüseart ist von Oktober bis April zu geniessen. Er ist mit dem Chicorée und der Endivie verwandt. Radicchio Rosso di Treviso mit feinem Bitterton gilt als der angesehenste dieser Familie.

Sein zartbitterer Geschmack stellt alle anderen Radicchio-Verwandten in den Schatten. Wie schon der Name sagt, ist seine Heimat die Marca Trevigiana oder Marca Gioiosa, die freudige Mark in Norditalien.
Radicchio aus Treviso schlicht Salat zu nennen, wäre eine grobe Beleidigung. Nördlich der Alpen werden die violetten Blätter zwar oft zu dekorativem Blattwerk degradiert, in Italien indessen gilt Radicchio als hochwertiges Gemüse. Roh, gegrillt oder gebraten. In der Marca Trevigiana wird Radicchio seit Jahrhunderten genossen. Arme Landsleute versuchten, Radicchio für den Winter einzulagern und entdeckten, dass die Pflanzen im warmen Stall nicht verfaulten, sondern austrieben. Sie stellten die Radicchio-Wurzeln ins Wasser, retteten sie über den Winter und bemerkten, dass die Blätter immer feiner und schmackhafter wurden. Die Zucht des Radicchio di Treviso Rosso Tardivo ist eine kostspielige und mühevolle Arbeit. Aus der ungeniessbaren, extrem bitter schmeckenden Mutterpflanze wird in einem arbeitsintensiven Verfahren ein zartbitteres Wintergemüse entwickelt. Die Mutterpflanze wächst im Sommer und wartet auf den Winter, um weiterverarbeitet zu werden. Mit dem Frost wird Radicchio auch rötlicher. Nach den ersten Frösten werden die noch unansehnlichen Mutterpflanzen geerntet, zu Bündeln mit 35 Stück geschnürt und wieder in die Erde gesteckt. Abgedeckt unter Plastikplanen treten die Pflanzen quasi in einen Winterschlaf. Sie treiben nicht weiter aus, sterben auch nicht ab.

Nach und nach holen die Radicchio-Bauern den ganzen Winter hindurch Pflanzen aus dem Plastikbett hervor. Nun darf der Radicchio wieder aktiv werden und endlich seine essbaren Blätter bilden - und zwar im Wasserbad. Die Bauern nennen diese Phase «forzatura». Die Radicchio-Bündel kommen in Wasserbecken und stehen hier mit ihren Wurzelfüssen dicht aneinander gereiht im fliessenden Quellwasser. Für 20 Tage brauchen die Pflanze das fliessende, ca. 15 Grad kalte und fliessende Wasser. Nun wachsen die neuen Triebe, die so kostbar sind. Der ganze Aufwand gilt allein den jungen Trieben, nur diese sind geniessbar.

Die welken Aussenblätter der Mutterpflanzen werden entfernt, nur die frischen Triebe, gewaschen im Quellwasser, kommen auf den Markt. Nun ist Radicchio also kein ganzer Salatkopf mehr, sondern nur noch dessen zartes Herzstück.

Castelfranco

Während der Rosso Tardivo im Wasserbad feiner wird, kommt es beim Variegato di Castelfranco im Zeltbett zum Bleichen. Der Castelfranco bleibt nach dem ersten Frost im Acker und wird mit Folien bedeckt. Dann kommen die Köpfe in ein beheiztes Zelt. Das fehlende Licht in der Dunkelkammer lässt den Castelfranco bleich werden. Zum zarten Bitterton kommt der feine Elfenbeinton. Edel-Radicchio braucht also ausgeklügelte Prozeduren und bestimmte Temperaturen, das Mikroklima der Trevigiana und das wohltemperierte Quellwasser aus dem Fluss Sile - eine Garantie, dass Radicchio nirgendwo sonst gezüchtet werden kann.

Rezept: Radicchio alla Piastra

Die Wurzeln einiger gut geschlossener, fester Exemplare entfernen. Die Köpfe der Länge nach halbieren und in einer Marinade aus Salz, Pfeffer und Olivenöl gut durchziehen lassen. Entweder auf dem Grill oder auf einer heissen Grillplatte grillieren oder im Ofen bei 200 Grad etwa 20 Minuten schmoren, bis sie goldgelb sind.

Zuletzt aktualisiert am 30. Januar 2018 von Tiziano Marinello.

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